Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung
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Siebenbürger Sachsen

Bestätigung des vom ungarischen König Andreas II. 1224 erlassenen ‚Goldenen Freibriefs‘ (Andreanum) durch König Karl I. im Jahr 1317 (Faksimile)

 
Wer sind die Siebenbürger Sachsen?

Im 12. Jahrhundert rief der ungarische König Geysa II. deutsche Kolonisten nach Sieben- bürgen in den Karpatenbogen. Sie kamen zum Schutz der Krone von Rhein und Mosel, aus dem heutigen Luxemburg, danach auch aus anderen Teilen Deutschlands. In Siebenbürgen verschmolzen sie zu einem deutschen Volksstamm, für den sich in der Kanzleisprache zunächst die Bezeichnung Saxones (Sachsen) einbürgerte.
 
Privilegien und Eigen-Landrecht

Auf dem ihnen zugesprochenen Königsboden (rund 30.000 km2) wurden den Siedlern ausserordentliche Privilegien verliehen. Im Goldenen Freibrief des Königs Andreas II. von 1224, später als so genanntes Andreanum von ungarischen Königen wiederholte Male bestätigt, waren die Freiheiten der deutschen Siedler der Hermannstädter Provinz verankert, die danach auf alle freien Siebenbürger Sachsen ausgedehnt wurden: Territorialautonomie und Selbstverwaltung, freies Besitz- und Erbrecht, freie Richter- und Pfarrerwahl, Zollfreiheit, eigenständige deutsche Gerichtsbarkeit. Im Rahmen des ungarischen Königreiches entwickelte sich so eine von Adelsherrschaft und Leibeigenschaft freie republikanisch-demokratische Enklave. Ihr Eigen-Landrecht von 1583 blieb als Gesetzbuch bis 1853 in Kraft.

Kind mit Trachtenhaube

Tatareneinfälle und Türkenkriege im 15. und 16. Jahrhundert zwangen die Einwohner der sächsischen Orte Verteidigungsanlagen zu errichten. So entstanden die befestigten Städte und die dörflichen Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen.

Ab 1541 wurde Ungarn für 150 Jahre türkisches Paschalyk. Siebenbürgen hingegen behauptete sich als autonomes, den Türken tributpflichtiges Fürstentum. Die Sachsen als eine der drei regierenden Nationen (ungarischer Adel, freie Szekler, freie Sachsen) traten 1547 geschlossen zum Luthertum über.

Schon im 14. Jahrhundert hatten sie in ihren Städten ein hochentwickeltes Zunftwesen, jenem von Nürnberg oder Augsburg durchaus vergleichbar. Durch Schulen, die seit über 600 Jahren bestehen, traditionsreiche Gymnasien, eine mustergültige Schulordnung von 1543 und die sehr frühe Einführung der allgemeinen Grundschulpflicht für alle sächsischen Jungen und Mädchen (1722) erwarb das kleine Volk der Siebenbürger Sachsen einen hohen Bildungsstand. Es hat weitere Pionierleistungen für den ganzen südosteuropäischen Raum in verschiedenen Bereichen der wirtschaftlichen Entwicklung (z.B. Elektrifizierung ab 1896!) und der Kultur aufzuweisen. Nach dem Sieg der kaiserlichen Heere über die Türken fiel das Fürstentum Siebenbürgen an das Habsburgerreich (1688), wobei die sächsischen Autonomierechte vom österreichischen Kaiser Leopold I. anerkannt wurden. 1867 kam Siebenbürgen zu Ungarn und nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien.

 
Schlimme Folgen des Zweiten Weltkriegs 

Der rumänisch-deutsche Wirtschaftsvertrag, der den Weg zu Einbeziehung Rumäniens in die Einflußsphäre des Dritten Reiches öffnete, trieb die deutsche Volksgruppe in die Arme Berlins. Der Frontwechsel Rumäniens im August 1944 stürzte dann die Rumäniendeutschen (Siebenbürger Sachsen, Banater und Sathmarer Schwaben, Banater Berglanddeutsche, Zipser Sachsen u.a.) in die Katastrophe: Teildeportation in die Sowjetunion, strafweise Enteignung des landwirtschaftlichen, industriellen, gewerblichen, kulturellen und schulischen Vermögens. In dieser schweren Zeit blieb die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien in ihrer volkskirchlichen Tradition einzige Zuflucht und Rückhalt für die Deutschen in Siebenbürgen.

Das Brukenthalpalais auf dem Großen Ring in Hermannstadt, Seit 1817 öffentliches Museum

Eine der schmerzlichen Kriegsfolgen für die Rumäniendeutschen war die Zerreissung zahlreicher Familien durch Kriegsgefangenschaft, Zwangsevakuierung der nordsiebenbürger Sachsen und das Einreiseverbot nach Rumänien für Tausende in die ukrainischen Kohlenbergwerke Deportierte.

Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien (1967) siedelten immer mehr Siebenbürger Sachsen im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland aus. Im ersten Jahr nach dem Sturz der Ceauescu-Diktatur (Dezember 1989) kam es zum Massenexodus. Eine der Hauptursachen für die Auswanderung war der drohende kulturell- sprachliche Identitätsverlust in der alten siebenbürgischen Heimat.

 

Wo sie heute leben 

Heute leben mehr als 220.000 Siebenbürger Sachsen in Deutschland, 15.000 in Österreich, rund 25.000 in den USA, 8.000 in Kanada und kaum noch 15.000 in Siebenbürgen. Die meisten von ihnen, echte Vertreter und Nachkommen einer 850 Jahre währenden deutschen Kultur- und Sprachinsel im Südosten Europas, kennzeichnet ein ausgeprägtes Herkunfts- und Geschichtsbewußtsein. Haben sie doch, worauf stolz zu sein!

Siebenbürger Sachsen im großen Trachtenzug am Oktoberfest in München 1997. Ihr Zug umfasste 316 Personen!

Für die Siebenbürger Sachsen stellt sich das Problem der Bewahrung ihres Kulturerbes immer akuter. Denkmäler, Stadtteile und Dörfer sowie die in ihrer Art und großen Anzahl auf relativ engem Raum in der Welt einzigartigen Kirchenburgen, aber auch all die anderen Elemente, die eine typische, organisch gewachsene Umwelt ausmachen, sollen nicht nur erhalten bleiben, sondern auch einen Gewinn für den Menschen in Form von Gebrauch ohne Verbrauch bringen.

Darüber hinaus muss das Schicksal beweglicher Kulturgüter in den Mittelpunkt des Interesses musealer und anderer kultureller Institutionen rücken. Auch das Festhalten des Brauchtums in Wort und Bild sowie die Dokumentation der ortsspezifischen Mundarten gehört zu den dringend erforderlichen Maßnahmen der Spurensicherung.

Als Träger eines reichen kulturellen Erbes sind die Siebenbürger Sachsen in Deutschland bemüht, die traditionellen Werte zu erhalten und kreativ fortzuführen. Mit dieser Zielsetzung sind Kultureinrichtungen und Vereine entstanden, unter ihnen die Siebenbürgisch- Sächsische Stiftung mit Sitz in München.

Ewalt Zweyer